28. Februar 2008 | Altes Rathaus Hannover | Dr. Eike Christian Hirsch

Architektur als Heimat

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an...“, singt Udo Jürgens. Kammerpräsident Wolfgang Schneider feierte am 25. Februar 2008 zwar erst seinen 60. Geburtstag, steht aber schon lange mitten im Leben und denkt – als erfolgreicher Architekt und frisch wiedergewählter Kammerpräsident –nicht an Ruhestand. Im Gegenteil. Mit seiner Einladung von Eike Christian Hirsch zu „Architektur im Dialog“ – erstmals unter dem Label der Lavesstiftung – wollte Schneider das Publikum erneut herausfordern und einmal mehr den Blick von außen auf Architektur und Architekten richten.

„Alles Fassade – Bauen als Modenschau“ hatte der Journalist seinen Vortrag genannt und absichtlich auf ein Fragezeichen im Titel verzichtet. Hirsch, der Theologie und Philosophie studierte, ist vor allem als Redakteur im Hörfunk des NDR sowie in den Achtzigerjahren als Moderator der TV-Talkshow von Radio Bremen „3 nach 9“ bekannt geworden.

2006 erhielt er den von der Sparkasse Hannover gestifteten Kurt-Morawietz-Literaturpreis. Man durfte also auf einen geschliffenen Wortbeitrag gespannt sein. Der selbsternannte Architekturlaie sezierte das Tempo des Formenverfalls in der Architektur. Die Fassade spalte sich immer mehr vom eigentlichen Gebäude ab, werde davor gehängt, wie ein Kleid. Gerade bei skulpturalen Gebilden, wie den Entwürfen von Zaha Hadid, sei die Funktion des Gebäudes an der Fassade nicht mehr ablesbar. Aber Kleider machten Leute, und Fassaden eben Image, meinte Hirsch. Wie in der Mode, werde auch in der Architektur ein Verwirrspiel mit den Betrachtern gespielt, würden Kulissenräume geschaffen und das Gesicht der Stadt zur Eventcity verstellt. Dieser Wille zum Zeitgeist mache aus der Architektur – eigentlich die Königin der Künste – eine flatterhafte Diva. Mal sei es die vorgehängte Glasfassade, dann die vorgegaukelte Barockfassade – ein Vorhängeschloss sozusagen.

Mit dieser Bemerkung hatte Hirsch die Lacher natürlich auf seiner Seite. Aber auch wenn die Architektur ihn manchmal enttäusche und er versucht sei, die Werke der Bauingenieure, die ihn durch Tatsachen beeindruckten, mehr zu würdigen, so gebe ihm die Architektur am Ende doch immer eine Heimat. Die Architekten sollten nur, so Hirsch, stilistisch nachhaltig bauen und nicht der Gefahr erliegen, den kurzlebigen Trends nachzugeben.

Fotos: Kai-Uwe Knoth