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Lavessymposium

„…von vorzüglicher Monumentalität“

Zwei Tage Symposium der VolkswagenStiftung und der Lavesstiftung zum 150. Todestag von Georg Ludwig Friedrich Laves im Februar 2014

150 Jahre ist er nun schon tot, und doch prägt sein Wirken bis heute eine ganze Stadt und treiben seine Ideen noch immer eine ganze Schar von Wissenschaftlern und Architekten um. Georg Ludwig Friedrich Laves, Hofbaumeister, Architekt, Ingenieur, Visionär. Der Pastorensohn aus Uslar hat Spuren in Hannover hinterlassen.

Spuren von „…vorzüglicher Monumentalität“ – so der Titel des Symposiums zum Leben und Wirken von Laves, ausgerichtet von der VolkswagenStiftung in Kooperation mit der Lavesstiftung am
24. und 25. Februar 2014 im neuen Schloss Herrenhausen.

Neu? Alt? Darum ging es auch bei dieser Veranstaltung, also um die Frage, wie Rekonstruktionsprojekte zu bewerten sind – auch der auf Laves‘ Plänen beruhende Wiederaufbau in Herrenhausen. Doch der Reihe nach.

1788 wird Laves geboren. Eine umwälzende Zeit. Die Französische Revolution verändert die gesellschaftliche Grundordnung Europas, ein aufklärerisches Denken, neue politische Regeln halten auch in Deutschland Einzug. Es kommt zu bedeutenden Erfindungen und auch zu einer starken Bevölkerungszunahme. Günther Schulz vom geschichtswissenschaftlichen Institut der Universität Bonn lässt diese Zeit auferstehen. Eine Zeit, in der Laves‘ beruflicher Werdegang bei seinem Onkel Heinrich Christoph Jussow in Kassel beginnt. 1812 wird Laves angestellt, die Schlösser in der hannoverschen Altstadt und in Herrenhausen instand zu halten. Ohne Auftrag legt er sogleich dem Hof einen Entwurf für ein großes Residenzschloss für Hannover vor. Realisiert wird es nicht, aber Laves‘ Karriere schadet es auch nicht. Im Gegenteil. Bald schon baut er ein Wohnhaus für den zweiten Gartenmeister Herrenhausens. Von der Allee im Georgengarten flaniert man noch heute darauf zu. Von den angedachten 20 Quadratmetern aber will Laves nichts wissen. Der Bau wird deutlich größer und überschreitet die Baukosten um 60 Prozent. Eine Situation, die auch heute noch vorkommen soll. Die Architekturhistoriker Sid Auffarth und Bernd Adam aus Hannover, Ulrich Maximilian Schumann vom Karlsruher Institut für Technologie und der Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Michael Rohde, führen den rund 180 Teilnehmern das breite Spektrum von Laves‘ Arbeiten aus unterschiedlichen Perspektiven vor und ordnen es in einen größeren, europäischen Zusammenhang ein. Laves‘ klassizistische Architekturauffassung repräsentiert ihn, der stets Varianten seiner Entwürfe durchspielt und dieses Verfahren in der Architektur etabliert, als Formgeber einer Epoche. Auf vielen Reisen nach Italien, Frankreich, England und auch Russland bildet Laves sich und seinen Stil.

Werner Oechslin vom Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich, Klaus Jan Philipp, Leiter des Instituts für Architekturgeschichte der Uni Stuttgart, und auch Hans-Georg Lippert vom Institut für Baugeschichte der TU Dresden verdeutlichen am zweiten Tag, wie die Baukunst insgesamt, so Oechslin, „kultiviert“ wurde. Die „Wissenschaft, Gebäude anzulegen“ wird in der damaligen Zeit strukturiert und professionalisiert. Die Schüler/Studenten kommen mittlerweile aus vielen Schichten. Der Praxisanteil des Studiums bleibt trotz wachsendem Einfluss der Kunst- und Geisteswissenschaften weiter groß. Laves selbst beginnt 1804 sein Studium an der Kunstakademie in Kassel, den technischen Teil absolviert er an der Universität Göttingen. Die allgegenwärtigen Säulenordnungen werden in dieser Phase fachlichen Diskursen unterworfen, wie Michael Hesse vom Institut für europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg aufzeigt. Die Palastfassaden schmücken jetzt auch Privathäuser. Gleichzeitig schafft die Landbaukunst Grundlagen für die Moderne: Ludwig Schwab, Architekt und Bauforscher aus Rodgau, skizziert den ländlichen Raum in der damaligen Zeit als Entwicklungspotenzial der Architektur. Laves selbst baut auf dem Land verschiedene kleinere Objekte, die nur zum Teil noch erhalten sind.

Den Abschlussvortrag hält Michael Mönninger, früherer Journalist und jetziger Professor für Theorie der Bau- und Raumkunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Er beschäftigt sich mit dem „falschen Schloss“, dem „modernen Haus in altem Gewand“. Laves hatte dem damaligen Fachwerkschloss in Herrenhausen, von dem bereits 1780 sämtliche barocke Elemente entfernt worden waren, ab 1818 seine jetzt wiederhergestellte klassizistische Fassade verliehen. Die Abstimmung mit den Füßen zeige, so Mönninger, dass die Rekonstruktion in der Bevölkerung akzeptiert sei. Er aber vermisse die „Schleifspuren“ der Geschichte. Er spricht von einem „Schloss ohne Schatten“.

Ist das so? Dieser Frage ging bereits am Vorabend die Veranstaltung „Architektur im Dialog“ nach. Die Vortragsreihe der Lavesstiftung setzte den abendlichen Höhepunkt des Symposiums. Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Runde um den renommierten Kunsthistoriker Adrian von Buttlar ging versöhnlich mit dem neuen/alten Lavesschloss um.

 

„Architektur im Dialog“ mit Adrian von Buttlar

Wäre Georg Ludwig Friedrich Laves auf die Idee gekommen, das Schloss in Herrenhausen heutzutage im klassizistischen Stil neu zu bauen? Wolfgang Schneider, Vorsitzender der Lavesstiftung und Präsident der Architektenkammer Niedersachsen, gibt den gut 270 Zuhörern von „Architektur im Dialog“ am 24. Februar 2014 im großen Tagungssaal eben dieses Schlosses die Antwort gleich selbst: „Zweifel sind angebracht.“

Schneider lobt die Innenräume, die mit gradliniger Gestaltung und kühler Strenge den hohen Ansprüchen der Nutzung als Tagungszentrum folgten. Ein Architektenwettbewerb, aus dem das Hamburger Büro Jastrzembski Kotulla als Sieger hervorging, schaffte die Grundlage für die zeitgemäße Umsetzung. Doch für die Fassade gab der Bauherr VolkswagenStiftung den Klassizismus nach Laves vor. Das Schloss steht. Den Hannoveranern gefällt‘s. Ist die Rekonstruktionsdebatte damit eine rein akademische?

Adrian von Buttlar vom Institut für Kunstgeschichte und Historische Urbanistik der TU Berlin und Gastredner des Abends kritisiert die Divergenz zwischen innen und außen dieser Art von Wiederherstellungen. Innen „schnittiges Interieur“, außen „emotionale Machtrekonstruktion“. Geschichte werde getilgt, Geschichte werde rekonstruiert. „Attrappenkult“ nennt er das. Sein Vortrag dreht sich um den Realitätscharakter der falschen Schlösser – sei es in Potsdam, Herrenchiemsee, Saarbrücken, Berlin oder Herrenhausen.

Und die Diskussionen darum werden nicht von Fachleuten und ihren Expertisen entschieden, sondern oftmals einfach vom Geld, wie von Buttlar anmerkt. So brachte TV-Moderator Günther Jauch die Überlegungen zum Potsdamer Stadtschloss, hinter dessen Fassade heute der moderne Landtag von Brandenburg tagt, überhaupt erst in Gang. SAP-Gründer Hasso Plattner spendete 2007 dann nicht weniger als 20 Millionen Euro, um den Wiederaufbau des Stadtschlosses tatsächlich zu realisieren, nachdem dieser zuvor wegen Geldmangels fraglich geworden war. Gegen so viel monetäres Argument seien kritische Akteure machtlos, so der Historiker.

Von Buttlar fordert einen kreativen Umgang mit städtischen Reparaturen. Geschichte müsse „lesbar“ bleiben, da reiche auch eine Fuge – wie im Braunschweiger „Shopping-Schloss“ als Hinweis auf den Hybrid aus äußerem Hoheitszeichen und innerer Kommerzarchitektur – seiner Ansicht nach nicht aus. Von Buttlar präsentiert bessere Lösungsansätze, wie den vom Büro gmp für das Berliner Stadtschloss. Die moderne Medienfassade, die das Antlitz des Schlosses als Pixel-Darstellung hätte wiederauferstehen lassen, sei ein intelligenter Vorschlag gewesen. Gebaut wurde dieser Entwurf bekanntlich nicht, was gmp nicht davon abhielt, jetzt in Partnerschaft mit Franco Stella die Rekonstruktion des Schlosses nach dessen Plänen anzugehen. Eine „städtebauliche Therapie zur Wundheilung“ sei dies, ätzt von Buttlar, eine „Pseudo-Lösung“, die keiner Zeitschicht gerecht werde.

Bei so vielen deutlichen Worten rutscht das Publikum unruhig auf den Plätzen, als Herrenhausen auf die Leinwand geworfen wird. Doch erleichtertes Aufatmen nicht nur im Saal, auch bei von Buttlar. Ziel und Ausgangspunkt des Schlosses in Hannover sei die barocke Gartenanlage, in die ein Schloss ungleich besser passe als in die Situationen der anderen Städte. Der Platz sei zudem vorher nicht besetzt gewesen, der Bau ein nachvollziehbarer Lückenschluss und – im Gegensatz zum Berliner Stadtschloss – ohne gesamtdeutsche Bedeutung. Die innenliegende moderne Architektur werde durch die im Boden versenkten und verglasten Lichthöfe als autonomes Gebäude erkennbar. Alt und Neu werde so zu einem organischen Ganzen.

Andreas Denk, Chefredakteur von „der architekt“, spendete in der anschließenden Diskussionsrunde nicht so viel Lob. Eine „vertane Chance“ sei der Bau, und die Architekten habe man zu „Dekorateuren“ degradiert. Eine „ganzheitliche Betrachtung“ als Zentrum des architektonischen Entwurfs hätte ermöglicht werden sollen, der Architekturbegriff der VolkswagenStiftung greife zu kurz. Auch Sven Kotulla, der mit seinem Büro den Schlossneubau realisierte, hätte sich eine komplett moderne Lösung vorstellen können. Aufgrund der historischen Prägung des Umfelds könne er aber mit dem Klassizismus leben. Von Buttlar betonte noch einmal, dass der Umgang mit den Zeitschichten entscheidend und in Herrenhausen zufriedenstellend geglückt sei. Dennoch: Eine Ausdehnung des Wettbewerbs auf die Fassade hätte auch er sich gewünscht.

Wilhelm Krull, Vorsitzender der VolkswagenStiftung sah’s zum Ende hin gelassen. Das Schloss steht. Das Schloss ist akzeptiert. Alles andere bleiben tatsächlich akademische Fragen. Diese hatten ausreichend Platz an diesem Abend und an den zwei Tagen in Herrenhausen. Und was Laves gesagt hätte, wenn er eingeladen gewesen wäre? Vermutlich hätte er sich gefreut.

 

Von vorzüglicher Monumentalität - Laves-Tagungsband

Der von der Lavesstiftung herausgegebene Band fasst die Beiträge des von der VolkswagenStiftung in Kooperation mit der Lavesstiftung realisierten, zweitägigen Symposiums „…von vorzüglicher Monumentalität. – Georg Ludwig Friedrich Laves in Hannover" zusammen, das am 24. und 25. Februar 2014 im Schloss Herrenhausen stattgefunden hat.

Die Publikation stellt das Wirken des Architekten in einen breiten sozial- und wissenschaftshistorischen Kontext, der bis in die aktuelle Gegenwart reicht. Architektenausbildung im Biedermeier, Bauphysik und Bauordnungen sowie Architekturdiskurse nach 1800 werden ebenso thematisiert wie der Umgang mit Laves heute – nicht nur vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus von Schloss Herrenhausen.

Mit Beiträgen von u. a. Werner Oechslin, Dieter Bartetzko, Michael Mönninger, Adrian von Buttlar und Wolfgang Schneider.

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich: „Von vorzüglicher Monumentalität. Georg Ludwig Friedrich Laves“, Herausgeber: Lavesstiftung, 174 Seiten, mit zahlreichen Farb- und s/w-Abbildungen, Hardcover, Format: 21 x 27,5 cm, Euro 35,00, sFr. 45,00, ISBN 978-3-86859-338-9.

 

Fotos: Agata Szymanska-Medina für VolkswagenStiftung