26. Juni 2019 | Altes Rathaus Hannover | 100 Jahre Bauhaus

DAS Bauhaus gibt es nicht

Diskussion bei „Architektur im Dialog“ zu 100 Jahre Bauhaus als Begleitprogramm zur aktuellen Ausstellung „Bekanntes. Verborgenes. Vergessenes.“

Draußen war es einer der heißesten Tage des noch jungen Sommers, drinnen hingegen kamen die Diskutanten gut klimatisiert nicht ins Schwitzen. Vier echte Bauhaus-Profis stellten sich im Alten Rathaus in Hannover den Fragen des Architekturjournalisten Nils Ballhausen – und das ganz cool. Ihre Expertise hätte problemlos eine abendfüllende Diskussion ermöglicht, doch zeigte bereits das kompakte Format des einstündigen Podiumsgesprächs, welches viele Themen nur anreißen konnte, dass das mit dem Bauhaus nicht so einfach ist, wie es vielleicht nach außen erscheinen mag.

Die Lavesstiftung hatte zu „Architektur im Dialog“ eingeladen, um die Inhalte der gegenwärtig im Laveshaus gezeigten Ausstellung zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum „Bekanntes. Verborgenes. Vergessenes.“ noch einmal von außen zu beleuchten. Im Gespräch ergaben sich dann zahlreiche Ansätze für weitere Lesarten der Wirkungsgeschichte dieser berühmten Institution.

In seiner Einführung machte es Stiftungsvorsitzender Wolfgang Schneider bereits deutlich: Die „Marke“ Bauhaus habe magische Anziehungskraft und sei gleichzeitig ein viel strapazierter Begriff. Zuvorderst stehe Bauhaus für eine nur 14 Jahre (1919–33) währende revolutionäre Ausbildungsstätte an drei Standorten (Weimar, Dessau, Berlin), daneben sei das Bauhaus für viele einfach ein populärer „Baumarkt“, und als „Bauhaus-Stil“ werde bestenfalls eine „moderne“, ornamentlos und sachlich gestaltete Architektur bezeichnet.

Kein Wunder also, dass Moderator Ballhausen zum Einstieg in das Gespräch anregte, das Bauhaus vom Altar zu stoßen. Seine erste Frage lautete dementsprechend: Was nervt Sie am Bauhaus? Insbesondere an der Verklärung des Begriffs „Bauhaus“ störten sich alle in der Runde, was wiederum das Bedürfnis zu einer persönlichen Stellungnahme weckte. Christina Krafczyk, Präsidentin des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, beispielsweise antwortete, dass Bauhaus nicht nerve, aber vieles für sich in Anspruch nehme, was es bereits vorher schon gegeben habe. Karin Wilhelm, emeritierte Professorin für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt, gab ihr Recht. DAS Bauhaus habe es ohnehin nie gegeben, vielmehr durchlief es an seinen drei Standorten verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Lehrenden und vor allem unterschiedlicher Politik. Das Bauhaus daher heute kritikfrei und ohne die Widersprüche zu betrachten, sei falsch.

Die Diskussion tauchte weniger in die 100-jährige Geschichte des Bauhauses ein, vielmehr beschäftigte sie sich mit architektonischen Zeugnissen in Niedersachsen, die Bezüge zum Bauhaus aufweisen. Nicht alle aus der eigentlichen Bauhaus-Zeit von 1919 bis 1933, manche erst in den Fünfziger- und Sechzigerjahren von Architekten der nachfolgenden Generation geplant und errichtet, die wiederum von einer stark vom Bauhaus beeinflussten Ausbildung geprägt waren.

Darunter ein Wohnhaus von Lucy Hillebrand in Göttingen (1953/57), dessen dynamische Treppenführung und offene Grundrissanordnung an den Villenbau von Mies van der Rohe erinnere. Daneben die Ziegenbockstation von Hans Martin Fricke in Osterholz-Scharmbeck (1928), ein zu Bauhaus-Zeiten entstandenes landwirtschaftliches Nutzgebäude in der niedersächsischen Provinz.

Rainer Stamm vom Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg interessierten vor allem die Biografien der Bauhausabsolventen. Für das Ausstellungsprojekt „Zwischen Utopie und Anpassung – das Bauhaus in Oldenburg“ wurde die Geschichte von vier Bauhäuslern aus Oldenburg und Ostfriesland rekonstruiert.

Krafczyk betrachtete die Häuser selbst, für deren Erhalt sie als oberste Denkmalpflegerin zuständig ist. Wie stellt sich die Bilanzierung über die Zeit dar? Ist ein Bauhaus-Bau unter heutigen Gesichtspunkten nachhaltig? Sicherlich kaum aus energetischen. In jedem Fall zeige sich, dass ein auf eine bestimmte Funktion ausgerichtetes Bauen nicht immer das Beste sei.

Architekt Franz Jaschke, der Praktiker auf dem Podium, der zu den renommiertesten Kennern von Bausubstanz des Neuen Bauens zählt, lenkte den Blick u. a. auf die Bauten von Otto Haesler in Celle. Dort greife der Nachhaltigkeitsbegriff durchaus, wenn man den Flächenverbrauch oder das bezahlbare Wohnen als Maßstab heranzieht. Haesler baute kleine Wohnungen für viele Menschen und verbrauchte dafür deutlich weniger Platz, als heute nötig wäre und setzte der Wohnungsnot der damaligen Zeit etwas entgegen, das auch noch Baukultur war.

Am Ende des Gesprächs war es auch draußen abgekühlt, dennoch gab es drinnen noch ein kühles Getränk. Auf 100 Jahre Bauhaus wollten die 150 Gäste dann doch noch anstoßen – und weitere Gedanken austauschen.

Fotos: Kai-Uwe Knoth