12. Januar 2018 | DOMOTEX Messegelände, Hannover | Prof. Eckhard Gerber

Alles berücksichtigt, alles bedacht

„Ich bin jünger als Ihr Büro“ stellte Architekturkritiker Nils Ballhausen Mitte Januar 2018 am Ende von „Architektur im Dialog“ im Gespräch mit Prof. Eckhard Gerber fest. Seit über 50 Jahren dekliniert dieser nun schon seine Gestaltprinzipien in unterschiedlichsten Projekten weltweit durch. Die Prinzipien Kubus, Stabwerk, Wand und Dach korrespondieren dabei mit den Formen Rechteck, Kreis, Dreieck, freie Krümmung und freie Knickung. In allen Bauten ließen sich diese Kriterien wiederfinden, so Gerber. Er zeigte auf, dass sich selbst Architekturlegenden wie Mies van der Rohe und andere in dieser Struktur bewegten. Eine theorielastige Architekturvorlesung bei „Architektur im Dialog“? Nicht ganz, denn Gerber führte auch eine beeindruckende Auswahl seiner über 150 Projekte vor. Und mit dem Computer, so räumte Gerber ein, seien heute natürlich Formen möglich, die über seine streng formulierten Gestaltprinzipien hinausgingen. Konnte er von solch freien Kreationen am Anfang seiner Karriere nur träumen, versucht er sie inzwischen umso konsequenter umzusetzen, wie beispielsweise im geschwungenen Dach der U-Bahn-Station in Riad – auch wenn dieser Bau von den dortigen Machthabern zurückgestellt wurde. Das Bauen in nicht freiheitlichen Ländern wie Saudi Arabien kennzeichnet einen Teil des Tätigkeitsfelds im Büro Gerber Architekten. Gerber ist dafür, vor allem vom SPIEGEL, auch kritisiert worden. Er selbst sieht dabei die kulturpolitische Arbeit vor Ort im Vordergrund. Annäherung zwischen Gesellschaften sei nur über Kommunikation, über das direkte Gespräch möglich. Er selbst habe bei diesen Projekten nie eine Einmischung von staatlicher Seite erlebt. Gleichwohl betont Gerber im Gespräch mit Ballhausen, wie wichtig der Einfluss des Bauherrn sei. Und der Bauherr sei es, den der Architekt verstehen müsse.

Und sonst? Die Topografie sei wichtig, sagt Gerber. Sie sei immer Vorteil, nie Nachteil. Und 75 Prozent aller Details seien allgemein, nur 25 Prozent projektspezifisch. Die Detaildatenbank im Büro sei daher unerlässlich, nicht alles müsse ständig neu erfunden werden, dies sei schon dem wirtschaftlichen Druck geschuldet. Aber: das eine zu machen und das andere zu lassen, sei keine Option. Man müsse so lange am Konzept feilen, bis beides möglich sei. Und es sei fast immer möglich. Mit dieser Einstellung gewinne man Wettbewerbe.

Wettbewerbe haben Gerber schon immer Aufträge gebracht. Dass die Zugangsbeschränkungen heute so eng sind, dass selbst sein Büro mit großer Erfahrung und vielfältig versammeltem Know-how an manchen Verfahren nicht teilnehmen darf, weil es die geforderte Aufgabe nicht im Repertoire nachweisen kann, darüber regt Gerber sich auf, selbst wenn er ein ruhiger, sympathischer und geerdeter Stararchitekt geblieben ist.

Gerber resümiert: „Ich bin heute in allen Besprechungen der älteste.“ Das gebe eine gewisse Ruhe, das eigene Wort habe Gewicht. Da verwundert es nicht, dass er noch heute, mit 79 Jahren, täglich ins Büro geht und auch noch viel reist. Die neuen und jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter starten häufig in der Wettbewerbsabteilung, die direkt an Gerber persönlich angebunden ist. So bekommt er Gelegenheit, seine Gestaltprinzipien an die nächste Generation weiterzugeben. Denn trotz Computer fußen am Ende doch alle Bauten auf Kubus, Stabwerk, Wand oder Dach. Und erst wenn alles berücksichtigt und alles bedacht ist, so sagt Gerber, ist es ein Gerber-Bau. 

Fotos: Kai-Uwe Knoth