11. Januar 2019 | Messe DOMOTEX | Martin Murphy

 

BIM is Business

Als leidenschaftlicher Vollblutarchitekt bezeichnet sich Martin Murphy. Der Engländer mit dem deutschen Pass lernte seinen Büropartner Jan Störmer vor über 20 Jahren in einer Bar kennen. Nachdem sie einen Abend lang über alles Mögliche außer Architektur diskutiert hatten, wollte Murphy nicht mehr nach England zurück. Seit 2009 heißt das gemeinsame Büro in Hamburg Störmer Murphy and Partners. Auf der internationalen Messe DOMOTEX in Hannover berichtete Martin Murphy Anfang Januar bei „Architektur im Dialog“ über seine Projekte, die digitale Zukunft (in) der Architektur und – als Engländer konnte er das Thema nicht ignorieren – den Brexit.

Murphy und sein 50-Köpfe-Team bauen, neben einigen internationalen Projekten, vor allem in Deutschland. Seine ersten Skizzen entstehen – Digitalisierung hin oder her – mit dem Bleistift. Haptik und Geschichte dieses Werkzeugs begeistern ihn nach wie vor. Wie Ideen entwickelt werden oder wer im Team darauf kommt, sei unbedeutend. Wichtig ist ihm, zu Beginn eines Projekts einen Schritt zurückzutreten. Altes schnell abreißen? Nicht Murphys Devise. Lieber Vorhandenes analysieren, Themen herausarbeiten, Prozesse verstehen und darüber einen Ausgleich zum Neuen finden. Wie bei der Sanierung der Hauptverwaltung der Helm AG in Hamburg. Das aus dem Jahr 1972 stammende Gebäude bildet mit dem gegenüberliegenden, in der Grundstruktur annähernd baugleichen Hanse-Haus ein städtebauliches Ensemble. Murphy griff daher äußerlich nur behutsam ein, beließ die Fensterband-Fassade als Gestaltungselement, betonte jedoch bestimmte Motive und ergänzte eine Fußgängerbrücke zwischen beiden Gebäuden. Der Bauherr war begeistert. Zu Technik und Digitalisierung im Planungs- und Bauprozess pflegt Murphy ein eher pragmatisches Verhältnis. Er umarme Technik, wo sie Sinn ergebe, sei aber kein „Technik-Nerd“. Bewusst setzt er bei seiner Arbeit weiterhin auf traditionelle Modelle. Bauherren verstünden Konzepte und Details oft erst beim Anfassen von Modellen. Mit leiser Stimme und ruhiger Vermittlung sei oftmals mehr zu erreichen als mit komplexen 3D-Animationen.

Und BIM? „BIM is Business”, sagt Murphy – auch, wenn es vor allem zu Beginn Zeit und Geld koste, sei die Methode sinnvoll. Die Investitionen in Software und Mitarbeiterfortbildung rentierten sich nach etwa drei Jahren. Parallel müsste an bestehenden Denkweisen gearbeitet werden, was oftmals das Schwerste sei. Am Ende aber stünden höhere Produktivität und bessere Wirtschaftlichkeit, nicht automatisch bessere Architektur: Die müsse nach wie vor in den Köpfen entstehen.

Alexander Gutzmer vom Baumeister-Magazin hakte im anschließenden Dialog noch mal nach: „Warum tun sich die Architekten mit BIM so schwer?“ Eine spontane Abfrage bei den rund 100 Besucherinnen und Besuchern bestätigte seine Annahme. Zu viele ließen sich von der vermeintlichen Komplexität abschrecken, so Murphy. Dabei stünden bei BIM alle gemeinsam am Anfang und BIM sei, wie so vieles andere auch, „learning by doing“.

Gutzmer wollte es abschließend auch bei einem anderen Thema genauer wissen. Wie also steht er, der Engländer Murphy, zum Brexit? Die Abstimmung im britischen Unterhaus stand bei Murphys Vortrag noch bevor. Aber so oder so bleibe alles ein Chaos, sagte Murphy, und er schäme sich „in Grund und Boden“. Dennoch: Ein Projekt würde er gern einmal in seiner Heimat realisieren. Um einen Auftrag zu ergattern, müsse man jedoch im Haifischbecken London schwimmen. Also doch lieber in Hannover bauen?, fragte Gutzmer. Ja, ein Holzhochhaus zum Beispiel.

Fotos: Kai-Uwe Knoth