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28. April 2022 | Altes Rathaus, Hannover | Jette Hopp

Das Risiko teilen

Im Gespräch mit Robert Marlow und Prof. Heiner Lippe erklärt die Norwegerin Jette Hopp bei „Architektur im Dialog“, was Deutschland von Norwegen unterscheidet und was sich ändern muss, damit Nachhaltigkeit zum Reflex wird.

Jette Hopp, eine der Direktorinnen aus dem Architekturbüro Snøhetta machte bei ihrem Vortrag am 28. April im Alten Rathaus in Hannover im Rahmen der Lavesstiftungsreihe „Architektur im Dialog“ an ausgewählten Beispielen deutlich, was es heißt, mit einer klaren, skandinavischen Haltung und in partizipatorisch angelegten Prozessen außergewöhnliche und im besten Sinne nachhaltige Projekte zu entwickeln, wie zum Beispiel die Staatsoper und das Staatsballett in Oslo/Norwegen oder die Rentierbeobachtungsstation am Fuße des Berges Snøhetta – nach dem sich das Büro bei seiner Gründung vor 31 Jahren benannte. Oder das „Powerhouse Brattørkaia“ in Trondheim/Norwegen, ein Prototyp der darauf folgenden Powerhouse Projekte: sanierte oder neu gebaute Häuser, die mehr Energie produzieren, als sie im Betrieb, inklusive Erstellung und Abbau verbrauchen, und ausgestattet mit Materialien, die beispielsweise aus recyceltem Kunststoff bestehen: Nachhaltigkeit als Leitmotiv.

Form follows environment

Begleitet von aufwendigen Forschungen zu äußeren Faktoren, wie Luftbewegung, Bodenbeschaffenheit, Gezeiten oder Temperaturschwankungen, folgt der Entwurfsprozess bei Snøhetta grundsätzlich nicht stilistischen Prinzipien, sondern orientiert sich immer an der Umgebung: Form follows environment. Die Formensprache entwickele sich aus dem Verständnis von Architektur als Landschaft, denn Gebäude, so Jette Hopp, seien nicht dazu da, Räume zu begrenzen, sondern sie zu schaffen. Warum es denn in Norwegen und andernorts so viel einfacher sei, derartig innovative und nachhaltige Projekte zu entwickeln und zu bauen, fragten der Vorsitzende der Lavesstiftung Robert Marlow und der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsausschusses der Kammer Prof. Heiner Lippe beim Podiumsgespräch, das dem Vortrag folgte. Das Prinzip Nachhaltigkeit müsse wie eine Art Reflex bei allen Beteiligten immer schon ganz am Anfang jedes Planungsprozesses stehen, doch wie könne man das erreichen? Entscheidend sei die Haltung, so Jette Hopp – und zwar nicht allein auf der Seite der Planenden oder der Bauherren, sondern vor allem aufseiten der Gesetzgeber und der genehmigenden Behörden. Es sei wichtig, die Risikobereitschaft durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen und durch ständigen Dialog zu fördern. Man müsse bereit sein, das Risiko zu teilen, gestalterische Freiräume zu schaffen und gemeinsam Lösungen zu ermöglichen, die neu und noch nicht erprobt sind. Außerdem seien Architekten dazu aufgerufen, gute Argumente zu finden, um ambitionierte, aber dennoch zögerliche Bauherren zu überzeugen, Neues auszuprobieren – eine Kompetenz, die inzwischen sogar explizit angefragt werde. Besonders die nachwachsende Generation von Architektinnen und Architekten brächten die Forderung nach Nachhaltigkeit mit ein – erfrischend und motivierend sei das, so Jette Hopp – und wesentlich für einen mutigen, planerischen Diskurs nach dem Motto: „Break the rules!“

Fotos: Henning Scheffen