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8. September 2022 | Alvar-Aalto-Kulturhaus, Wolfsburg | Juho Grönholm

Human Touch

Der finnische Architekt Juho Grönholm bei „Architektur im Dialog“ in Wolfsburg

Die Alvar Aalto Week 2022 im September in Wolfsburg war die erste, die jemals außerhalb von Finnland durchgeführt wurde. Unter die zahlreichen Veranstaltungen mischte sich auch die Lavesstiftung mit ihrem Format „Architektur im Dialog“, das passenderweise im gerade 60 Jahre alt gewordenen Alvar-Aalto-Kulturhaus stattfand. Und was lag näher, als einen finnischen Architekten einzuladen, der in seiner Arbeit Bezug zum großen Alvar Aalto nimmt? Juho Grönholm, 1975 geboren, kam direkt aus Helsinki nach Wolfsburg. Das heißt, gelandet war er am Flughafen Berlin-Brandenburg, dem langweiligsten Flughafenbau der Welt, wie er nach der Veranstaltung beim Bier verriet. Dass er und sein Büro ALA Architects es besser können, hat er mit dem neuen Abflug- und Ankunftsgebäude des Helsinki International Airport durchaus bewiesen. Organische Formen, klare Wegeführung und die strukturelle Abbildung von Landschaften auf der Unterseite des Daches. Überhaupt die Dächer. Für Grönholm steckt darin die ganze Architektur. An manchen Stellen sind die Dächer so tief gezogen, dass sie von den Besuchern mit emporgestreckter Hand berührt werden können. Für die Geste wird auch schon mal der Regenschutz geopfert. Egal, wenn es so grandios aussieht wie in Helsinki am Flughafenabfertigungsgebäude. Bezug zur Landschaft nimmt auch die Oodi Bibliothek im Zentrum auf, gleich gegenüber dem wuchtigen Prunkbau des Parlaments. Die Bibliothek erhebt sich so weit aus der Topografie, dass sie Augenhöhe mit dem Gegenüber aufnehmen kann. So entsteht ein Dialog zwischen den beiden öffentlichen Gebäuden, den die Menschen führen. Böden und Decken sind mit leichter Hand geschwungen, Bücher findet man hier, statt sie zu suchen. Besuchende fühlen sich zwischen organischer Form und natürlichem Material sichtlich wohl. Dieser „Human Touch“ ist es, der ihn mit Alvar Aalto verbindet. Aalto bedeute im Finnischen soviel wie „Welle“, verrät Grönholm. Wie passend, sind doch Aaltos Gebäude ebenso wie die von ALA von geschwungenen Linien geprägt.

Gegenwärtig arbeitet das Büro ALA unter anderem an verschiedenen Metro-Stationen in Helsinki. Diese seien so schön, dass man vor lauter Hingucken schon mal den Zug verpasst, meinte Patrik Nilsson, der das Podiumsgespräch mit Grönholm im Anschluss an den Vortrag führte. Der Architekt aus Celle ist gebürtiger Schwede, und die beiden Skandinavier verstanden sich so gut, dass Nilsson dem finnischen Kollegen auch seine Meinung zum deutschen Wettbewerbswesen entlocken konnte. 15 Mal habe er, so Grönholm, mit seinem Büro an Wettbewerben in Deutschland teilgenommen, 15 Mal habe er nicht punkten können. Sein Fazit aus dieser Erfahrung: Die deutschen Jurys seien wenig risikofreudig.

Der Vorsitzende der Lavesstiftung, Robert Marlow, konnte oder wollte diesen Vorwurf nicht ganz ausräumen. No risk, no fun, war seine Meinung und die beschloss augenzwinkernd diesen kurzweiligen Abend, der von Wolfsburgs Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide eröffnet worden war, ganz im Zeichen der großartigen Architektur von Juho Grönholm und ALA Architects.

Fotos: Dr. Felicia Riess
Vorschaubild: Vilhelm Sjöström