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31. März 2022 | Altes Rathaus, Hannover | Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber

Klimareparatur durch Architektur mit biologischen Baustoffen

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber erklärt bei „Architektur im Dialog“ was mit dem Klimawandel auf uns zu kommt und warum wir die Rolle der gebauten Umwelt nicht länger ignorieren dürfen

Erst Corona und nun Krieg in Europa. Wo bleibt da der Kampf gegen den Klimawandel? Das fragte Kammerpräsident Robert Marlow bei „Architektur im Dialog“ der Lavesstiftung Ende März in Hannover. Sein Gast, Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, teilte die Befürchtung, dass die größte Krise unserer Zeit aus dem Fokus geraten könnte, doch: Nicht weniger als unsere Zivilisation stehe auf dem Spiel. Der Planet habe Fieber, so Schellnhuber. Bis 2030 werde sich zeigen, ob das 1,5 Grad-Ziel von Paris erreichbar sei. Jenseits einer Erwärmung von zwei Grad sei keine Zivilisation aufrecht zu erhalten. Das Publikum im Alten Rathaus in Hannover verdaute noch, da legte Schellnhuber nach. Um nur drei Aspekte zu nennen: Das Eis schmilzt, der Jetstream erlahmt, der Regenwald wird abgeholzt. Damit einhergehen wichtige Kipppunkte fürs weltweite Klima, die, einmal überschritten, nicht zurückgedreht werden können. Der Regenwald und seine Funktion fürs Klima seien nur fünf bis sechs Prozent von einem solchen Kipppunkt entfernt. Langfristig müssten aufgrund von Hitze und steigendem Meeresspiegel bis zu zwei Milliarden Menschen umgesiedelt werden – die aktuellen Flüchtlingsbewegungen werden angesichts dieser Größenordnungen fast unbedeutend und die geopolitischen Auswirkungen unvorstellbar. Daher: Die CO2-Emissionen müssen bis 2050 auf Null gebracht werden. „Ein Faktor hierzu ist die gebaute Umwelt“, sagte Schellnhuber. Womöglich sogar der wichtigste, doch die Politik ignoriere diesen Umstand bislang, die gebaute Umwelt sei der „Elefant im Klimaraum“. Dabei werde der Klimaschutz in den Städten entschieden. „Abriss ist das Schlimmste“, so Schellnhuber, der ein Plädoyer für den Erhalt und die Renovierung des Bestandes angesichts der erhaltenswerten grauen Energie und der Vermeidung von Abfall hielt. Und wenn bauen, dann mit dem richtigen Material: Holz oder Bambus. „Die Dinge addieren sich auf“, war sich Schellnhuber sicher und betonte, dass jede Architektin und jeder Architekt durch seine Planungen ein Stück Kilmaschutz beitragen könne. Er zeigte Beispiele von Pritzker-Preisträger Francis Kéré und dem japanischen Architekten Shigeru Ban, allesamt vorbildhafte Holzbauten. Schellnhuber lobte auch seine ersten Gespräche mit der Bundesbauministerin Klara Geywitz, die das Regierungsziel von 400.000 Wohnungen nicht allein durch Neubau erreichen wolle.

Gerade die Bauherrinnen müssten vom Bestandsschutz überzeugt werden, betonte in der dem Vortrag folgenden Diskussionsrunde dann auch Luisa Ropelato, Bundesvorsitzende von Architects for Future. Nur sei genau das, das Schwierigste. Zumal die Bauordnungen der Bundesländer Neubau-Ordnungen seien. Architects for Future fordern daher eine Umbauordnung, die auch Kammerpräsident Marlow unterstützte. Die Architektenschaft müsse die Nachhaltigkeitsthemen noch viel stärker vorantreiben. Die Präsidentin des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, Dr.-Ing. Christina Krafczyk, war ebenfalls überzeugt, dass die Sanierung eine der entscheidenden Lösungen darstelle. Eine gute Architektur mit biologischen Baustoffen könne Klimareparatur leisten, sagte Schellnhuber zum Schluss. Die Zukunft des Bauens müsse „bunt, weich, beweglich und feminin sein“ so der 72-jährige Klimaexperte, der nach den düsteren Eingangsworten am Ende doch noch einen optimistischeren Blick in die Zukunft warf.

Fotos: Kai-Uwe Knoth